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Hamburg




Pressemitteilung

Pressekonferenz anlässlich des Welttages der Suizidprävention
am 10. September 2010

Weltweit sterben mehr als eine Million Menschen durch Suizid. Mehr als sechs Millionen Menschen leiden jedes Jahr neu durch den Verlust eines Angehörigen, Freundes, Kollegen oder Mitschülers. Weltweit sterben nach Angaben der WHO mehr Menschen durch eigene Hand als durch die Hand anderer - also durch Krieg, Mord oder Totschlag.

Am Welttag der Suizidprävention soll auf diese Fakten hingewiesen werden und die Notwendigkeit einer aktiven Suizidprävention in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Die Fakten sollen ein differenziertes Bild der Suizidproblematik ermöglichen und helfen, vorherrschende Einstellungen zum Suizid zu beeinflussen. (www.welttag-suizidpraevention.de)

"Der Welttag der Suizidprävention soll ein Signal der Hoffnung geben" sagte Georg Fiedler von Therapie-Zentrum für Suizidgefährdete am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der Tag soll aufzeigen, dass Suizidprävention und Hilfe in akuten Krisen möglich ist. Angehörige und Hinterbliebene müssen in die Präventionsbestrebungen mit aufgenommen werden. Ein wichtiges Ziel des Deutschen Nationalen Suizidpräventionsprogramms ist es, dass jeder Mensch, der qualifizierte Hilfe sucht auch Angebote findet, die er in seiner psychischen Situation auch annehmen kann.
( www.suizidpraevention-deutschland.de)



Daten und Fakten zu Suiziden finden Sie in der Anlage

Experten fordern einen vorurteilsfreien und differenzierten Umgang mit der Suizidthematik

Wenn wir vom „Tabu“ über Suizidalität sprechen, berühren wir gleichzeitig auch Vorurteile und negative Einstellungen oder Haltungen zum Suizid. Manchmal betreffen solche Vorurteile und Haltungen den gesamten Ansatz der Suizidprävention („Reisende soll man nicht aufhalten“) oder transferieren die subjektive erlebte Ausweglosigkeit des Suizidenten in ein objektives Verständnis („er hatte Schulden“- was blieb ihm da noch übrig). Verdeckte Vorurteile und negative Einstellungen erschweren nicht selten die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Suizid in präventive Maßnahmen. Zu den wirksamsten Methoden der Suizidprävention zählt die Strategie „Closing the Exits“ – d.h. den Zugang zu Suizidmitteln zu beschränken. Doch noch immer werden psychiatrische Kliniken in der Nähe von Bahngleisen gebaut, werden suizidpräventive Maßnahmen bei der Planung von Bauwerken wie Hochhäusern und Brücken  nicht berücksichtigt oder wird –besonders in anderen Ländern- der Zugang zu Schusswaffen beschränkt.

Vor diesem Hintergrund forderten die auf der Pressekonferenz anwesenden Experten eine offene, differenzierte und vorurteilsfreie Einstellung zum Suizid und zur Suizidprävention. Suizidalität ist ein komplexes Phänomen. Suizidalität umfasst gesellschaftlich-kulturelle, individuell-psychologische und biologische Aspekte. Suizidalität lässt sich auch nicht durch die Ergebnisse nur einer Studie erklären. Viele Forschungsdisziplinen beschäftigen sich mit dem Suizid und ihre Ansätze sollten in der Suizidprävention angemessen berücksichtigt werden. Problematisch ist es, wenn Ergebnisse wissenschaftlicher Studien nur einseitig rezipiert werden und zu einem problematischen Verständnis (z.B. „Suizid-Gen gefunden“) oder zu vereinfachten Lösungsvorschlägen (z.B. Lithium in das Trinkwasser mischen) führen, mit welcher man sich der Suizidproblematik zu entledigen glaubt.

Zu den bekanntesten Vorurteilen gehört, der Suizid sei ein „Selbstmord“ oder „Freitod. Der Suizid ist jedoch keine kriminelle Handlung, denn der Suizident „ermordet“ sich nicht aus niedrigen Beweggründen, so wie der Begriff nahelegt. Der Suizid ist zumeist der Endpunkt einer zugespitzten psychischen Krise und großer innerer Not. Dieser psychische  Zustand legt kaum die Möglichkeit einer“ freien Entscheidung“ nahe. In diesem Zusammenhang steht die Auffassung, dass, wer Suizidgedanken habe, unbedingt sterben wolle. In der Regel ist der Todeswunsch jedoch Ausdruck einer subjektiven erlebten Ausweglosigkeit, man würde ja weiterleben können, wenn man nur wüsste wie. Diese Ambivalenz  im suizidalen Erleben der Menschen ermöglicht erst die erfolgreiche Behandlung suizidgefährdeter Menschen und ist damit eine wichtige Grundlage der Suizidprävention. Leider führt dieses Vorurteil manchmal dazu, dass im Zusammenhang mit einem Suizid eine Sterbehilfediskussion  eingeleitet wird, welche das Verständnis und die Prävention suizidalen Verhaltens  erschwert. Erschwerend wirkt auch die Aussage: Wer Suizidgedanken äußert wird umgehend in eine geschlossene psychiatrische Station eingeliefert. Diese Aussage entspricht nicht der Realität in Deutschland und verängstigt suizidgefährdete Menschen, sich in suizidalen Krisen professionelle Hilfe zu suchen.

Eine vereinfachte Darstellung ist auch, eine Depression erkläre einen Suizid. Das Suizidrisiko ist bei allen psychischen Erkrankungen erhöht. Das Risiko, durch einen Suizid zu sterben ist bei einem depressiv Erkrankten kann bis zu 30 mal so hoch sein wie in der Durchschnittsbevölkerung. Der Anteil der depressiv Erkrankten an den vollendeten Suiziden variiert je nach Studie zwischen 15% und 95%. Deshalb ist die frühzeitige Erkennung und Behandlung depressiver Erkrankungen auch wichtiger Bestandteil der Suizidprävention. Doch dürfen wir nicht vergessen, das nicht alle suizid­gefährdeten Menschen depressiv sind. Auch diese Menschen bedürfen Unterstützung. Außerdem ist nicht jeder Mensch der an einer Depression leidet ist suizidgefährdet. Besonders diese Befürchtung hat dazu geführt, dass viele Menschen sich große Sorgen um das Leben ihres depressiv erkrankten Angehörigen machten – und auch depressiv Erkrankte um das eigene.

Eine weitere, und oft verdeckte, problematische Haltung ist: Der Suizid eines alten Menschen ist nicht so dramatisch – er hat sein Leben gehabt und würde sowieso bald sterben.  Dies kann dazu führen, dass der Suizidgefährdung älterer Menschen nicht hinreichend Aufmerksamkeit gewidmet wird und eine adäquate Behandlung unterbleibt. Ein letztes Vorurteil, das heute angesprochen werden soll betrifft die Männer. „She dies for Love and He for Glory“ hat die amerikanische Soziologin Canetto es genannt. Damit wird dem männlichen Suizid eine gewisse heroische Konnotation gegeben. Bis heute fällt es Männern schwer, sich in psychischen Krisensituationen professionelle Hilfe zu suchen, da Männer „ihre Probleme selbst lösen“. In Deutschland nehmen sich doppelt so viel Männer als Frauen das Leben.

Vorurteile und negative Einstellungen können dazu führen, dass die Prävention suizidalen Verhaltens erschwert wird. Vorurteile werden auch durch die Medien verbreitet. Es ist auch unserer Aufforderung an die Medien, Vorurteile zu erkennen und kritisch zu reflektieren.

Internet: www.suizidpraevention-deutschland.de


Wir dürfen die Hinterbliebenen nicht vergessen.

Durch einen Suizid ist eine Vielzahl von Menschen betroffen. Der Suizid eines Angehörigen oder Freundes bringt für die Hinterbliebenen eine schwere Lebenskrise  mit sich. Nichts ist mehr, wie es war und es gibt ein Leben vor dem Suizid und eines nach dem Suizid, der nun ein Teil der eigenen Biographie ist. Konfrontiert mit den immer wieder kehrenden "Warum Fragen" (Warum hast du uns das angetan? Warum habe ich es nicht verhindern können? usw) müssen sich Angehörige auch oftmals mit den Vorurteilen der Gesellschaft und der Hilflosigkeit der Menschen in ihrer Umgebung auseinandersetzen. Aus diesem Grund brauchen Suizidtrauernde eine besondere Beratung und Betreuung. „Diese kann besonders in Selbsthilfegruppen gefunden werden“ betonte Christiane Blömeke von „Angehörige um Suizid“ (AGUS): „Gemeinsam setzen wir uns als betroffene Angehörige dafür ein, dass  Suizid kein Tabuthema in unserer Gesellschaft sein darf, sondern als tödlicher Ausgang einer schweren psychischen Krise begriffen wird über die wir - auch im Sinne der Prävention- reden wollen und müssen."

Internet: www.agus.de


Der 10. September ist auch ein Tag des Gedenkens an die durch Suizid Verstorbenen.

Am 10. September findet in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi die zentrale Gedenkfeier für die durch Suizid verstorbenen statt. Im Südschiff der Kirche wird eine Installation von 217 Steinen zu sehen sein, welche für jene 217 Hamburgerinnen und Hamburger stehen, die sich im Jahre 2009 das Leben genommen haben. Sie erinnern an diesem Tag symbolisch an die ungefähr 10.000 Menschen in Deutschland, die ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt haben.

Hauptpastorin Pröbstin Kirsten Fehrs von der Hauptkirche St. Jacobi beschrieb das Ziel der Gedenkveranstaltung: „Wir wollen in St. Jacobi der Trauer von Angehörigen öffentlich Raum geben und etwas gegen die Verdrängung des Themas „Suizid“ tun. Uns liegt am Herzen, die Menschen in ihrem Schmerz, ihrer Wut und Sprachlosigkeit aufzufangen, aber auch die Ängste um Gefährdete ernst zu nehmen. In der Vorbereitung zu dem Gedenkgottesdienst war es eine besonders beglückende Erfahrung, wie Angehörige von Suizidverstorbenen und VertreterInnen verschiedener Konfessionen und Glaubensrichtungen sich finden und es als ihre gemeinsame Aufgabe ansehen konnten, die Menschen zu trösten und zu ermutigen.“

Internet: www.jacobus.de
Das Programm der Gedenkveranstaltung finden Sie unter
www.welttag-suizidpraevention.de/web_2010/hamburg_2010.html


Die Presseerklärung können Sie hier (PDF-Dokument, 560 KB) herunterladen.